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Zu Besuch bei Max Hunt !

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Zu Besuch bei Max Hunt !

Beitragvon Jörn » 30.11.2011, 19:51

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Zu Besuch bei Max Hunt

Am Dienstag, dem 29.11.2011, lud das Nissan-Autohaus Extra interessierte Waidleute zu einem Vortrag der besonderen Art ein: Max Hunt aus Dänemark, ein aus den Medien wohl bekannter professioneller Jäger und derzeitiger Bockjagd-Weltrekordhalter, berichtete von einer für deutsche Grünröcke eher ungewohnten Form der Jagd nach alter Urgroßväter Sitte: Der Jagd mit Pfeil und Bogen.


Hier mag so mancher gestandener Waidmann nach dem Riechsalzfläschchen greifen und dabei Dinge wie „Waidgerechtigkeit !“ oder „Unerhört !“ oder „Mit sowas fangen wir gar nicht erst an !“ vor sich hin murmeln.
Recht hat er, sagt der Kenner deutscher Jagdtugenden. Unrecht hat er, sagt der vorurteilsfreie Mensch - spätestens nach Maxens Vortrag.

 

Kurz vorweg: Max heißt eigentlich Hauke, dürfte maximal 40 Jahre alt sein, ist im Grenzgebiet Dänemark/Deutschland aufgewachsen, spricht absolut perfektes Deutsch ohne jeden Akzent, ist 1,97 m groß, schlank, attraktiv und wirkt ein wenig wie ein großer, ständig zu Späßen aufgelegter Lausjunge. Also ganz anders als der typische Waidmann in Lodentracht mit XXL-Bauchausschnitt.

 

Max polarisiert, bricht mit ehernen Gesetzen urdeutscher Waidgerechtigkeit - aber immer so, dass man ihm kaum böse sein kann, obwohl man guten Grund dazu hätte: Denn Max hat auch noch Recht.

 

Aber greifen wir nicht vorweg...

Etwa 30 Teilnehmer fanden sich gestern Abend im Nissan-Autohaus Extra auf der Fritz-Thyssen-Straße in Mülheim an der Ruhr ein. Darunter auch Abgesandte der Kreisjägerschaften Duisburg und Mülheim. Zur Erbauung gab es ein kleines Spaß-Schießkino (mit bewährter Technik der EAT-GmbH aus Herzogenrath - http://www.heimschiesskino.de), bei dem die Sauen nur so purzelten und den Enten das Gequake im Schnabel stecken blieb, ein deftiges Grünkohl-Mettwurst-Abendessen und natürlich reichlich Gelände-taugliche Fahrzeuge aus dem Nissan-Stall, die keinen schlechten Eindruck machten.

 

Erst nach dem Essen ging es an den eigentlichen Vortrag; dies war vermutlich strategisch durchdacht, damit Max nicht ständig gegen Magenknurren anzureden hatte.

 

Als artiger Junge verriet uns Max zunächst, wie er seine Leidenschaft für die Jagd mit Pfeil und Bogen entdeckte: Schon als Knabe pirschte er zur Rehwildbejagung mit Freunden und der Flinte durch die Wälder Dänemarks (hier darf man im Alter von 16 bis 18 Jahren nur mit der Flinte jagen - und hier wurde auch die Flintenjagd auf Rehwild noch nicht zum Teufelswerk erklärt). So lernte er schon in früher Jugend, dass der eigentliche Reiz der Jagd für ihn nicht darin bestand, auf dem Ansitz auf den Bock zu warten und den Zeigefinger zu krümmen, sondern in der hohen Kunst des Pirschens, um die zum Flintenschuss erforderliche Nähe zu erreichen. Max verriet uns, dass er dazu oft das Verhalten der Tiere selbst kopierte: Ein paar Meter vorsichtig gehen, minutenlang still warten und beobachten, wieder ein paar Schritte, warten, mit allen Sinnen beobachten. Ganz so, wie wir es auch von unserem Rehwild kennen. Jagd im Einklang mit der Natur, nicht zuletzt durch natürliches Verhalten statt Schießbudenhabitus. Als gestandener Mann verkaufte er später seinen gut laufenden, vom Vater übernommenen Zimmermannsbetrieb und konzentrierte sich auf das, was ihm wirklich im Blut lag und Sie nicht sonderlich überraschen dürfte: Die Jagd.

 

Allerdings erkannte Max recht früh, dass ihn die alteingesessene Form der Jagd einfach nicht zu befriedigen vermochte: Der eigentliche Reiz fehlte; das eigentliche Element der Jagd. Nämlich das Nachstellen, das Anschleichen, der uralte Wettbewerb zwischen Mensch und Tier, der nicht nur durch technische Hilfsmittel entschieden wird - sondern durch das, was schon unsere Vorfahren auszeichnete: Anpassungsfähigkeit, Erfindungsreichtum, Einfühlungsvermögen und Improvisation. Allesamt Attribute, welche die für uns mittlerweile gewohnte Art der Ansitzjagdausübung kaum noch voraussetzt.

 

Zurück zu den Wurzeln, also zurück zu Pfeil und Bogen. - Und gegen alle deutsche Waidgerechtigkeit, nicht wahr ?

 

Der Mensch fühlt sich dann besonders wohl, wenn er im Kreise Gleichgesonnener seine eigenen Vorurteile bestätigt sieht. Zum Beispiel die Unwaidgerechtigkeit des Bogens, der selbstverständlich endlose Fluchtstrecken produziert und Stücke nur dann an den Boden bannt, wenn diese mit Pfeilen gespickt an unseren heimischen Igel erinnern. So ein urzeitliches Relikt ist natürlich absolut unwaidmännisch, da es nicht schnell tötet, nicht wahr ? - Ja: Nicht wahr.

 

Denn genau darauf ging Max sehr akribisch ein, als er von seinen Jagderlebnissen in Dänemark, Ungarn, Alaska, Afrika und in der restlichen Welt berichtete.
Moderne Bögen erzeugten so viel Energie, hieß es, dass selbst bei harten, mehrfachen Knochentreffern noch reine Durchschüsse erzielt würden - Fluchtstrecken von 0 bis 30 Metern seien keine Seltenheit, berichtete Max. Und belegte dies durch mehrere Videos, die live bei seinen Jagdausflügen aufgezeichnet wurden. Es scheint zu stimmen: Selbst bei starkem Wild sahen wir Ein- und Ausschuss, auch die geringen Fluchtstrecken sprachen im Sinne unserer ureigenen Waidgerechtigkeitsansprüche eine überraschende, aber deutliche Sprache.

 

Bei der Jagd setzt Max einen so genannten Compoundbogen ein: Eine moderne Weiterentwicklung des klassischen „Flitzebogens“, der mehrere Vorteile wie hohe Durchschlagskraft, geringe Größe, leise Arbeitsweise und ruhiges Schussverhalten in sich vereint. Wir lernten die drei hauptsächlichen Bogenvarianten, nämlich Langbogen, Recurve-Bogen und den bereits erwähnten Compoundbogen kennen, deren Handhabung Max jeweils erläuterte und zielsicher demonstrierte. Schnell stellte sich heraus, dass der Compoundbogen definitiv das Optimum für jagdliche Anwendungen darstellt: Führigkeit, Kraft und Präzision. Der Hauptvorteil im Sinne der Waidgerechtigkeit dürfte jedoch das präzise Schussverhalten sein: Wird der Compoundbogen nahezu vollständig gespannt, verringert sich der Kraftaufwand beim Halten der Sehne auf etwa 20 % der eigentlichen Zugkraft. So kann der Bogen vor dem Schuss besonders ruhig gehalten werden - das Risiko, bei der Schussabgabe falsch abzukommen, minimiert sich dadurch beträchtlich. Ein guter Schütze erreicht mit einem solchen Bogen übrigens einen Streukreis von etwa 5 bis 10 cm bei 50 m Schussentfernung; der Bogen steht einer modernen Langwaffe also kaum nach. Weitschüsse allerdings sollten besser vermieden werden: Aufgrund der Schützenstreuung, der Winddrift und aus einem weiteren, vielleicht dem wichtigsten Grunde, den ich später kurz anspreche.

 

Max erläuterte auch die eigentlichen Schwierigkeiten der Bogenjagd: Relativ geringe Schussentfernungen, viel Geduld und Kenntnis individuellem Tierverhaltens und nicht zuletzt auch körperliche Eignung.

 

Geringe Schussentfernung: Moderne Bögen erzielen Reichweiten wie moderne Jagdwaffen. Allerdings sprechen verschiedene Faktoren gegen weite Schüsse.
1. Wir schießen freihändig, ohne jede Auflage. Obwohl Compoundbögen im Schuss sehr ruhig liegen, können wir unseren Körper nicht komplett versteifen. Und je größer die Schussentfernung, desto größer die Veränderung der Treffpunktlage bei nur winzigsten Bewegungen.
2. Kein Zielfernrohr. Beim Bogenschießen visiert man entweder intuitiv (wie beim Schießen mit der Flinte) oder über eine offene Visierung, die natürlich nicht gar so präzise wie bei Langwaffen ausfällt.
3. Winddrift.
4. Geringe Geschossgeschwindigkeit. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Von Bögen abgeschossene Pfeile erreichen bei weitem keine Schallgeschwindigkeit; das Schussgeräusch erreicht das anvisierte Tier also eher als der Pfeil. Und da Tiere gewöhnlich deutlich schneller als wir Menschen reagieren, springt das Ziel oft ab, während der Pfeil noch unterwegs ist: Üble Fehlschüsse sind quasi vorprogrammiert. Selbst bei eher geringen Schussentfernungen von etwa 20 bis 30 Metern kann das Stück schon reagieren, mit teils fatalen Folgen. Max zielt daher immer in das untere Drittel des Stückes; so landet er dennoch einen letalen Treffer, wenn sich das Stück bereits zum Absprung duckt.
Dadurch erklären sich die geringen Schussentfernungen - und somit:

 

Viel Geduld: Um geringe Schussentfernungen zu erreichen, müssen wir nahe an unser Ziel heran. Dazu müssen wir die Gewohnheiten des Tieres kennen, die Art und Weise, wie es Bedrohungen wahrnimmt, seinen täglichen Habitus studieren, der oft täglich sehr, sehr ähnlich abläuft. Vor dem Schuss ist also zuerst Aufklärung erforderlich; intensive Beschäftigung mit dem Stück und seinen Eigenheiten. Nur so kann sich der Bogenschütze unbemerkt so weit nähern, dass ein sicherer, waidgerechter Schuss ermöglicht wird. Bogenschießen zwingt den Jäger also zum Pirschen. Und das mag beileibe nicht jedem schmecken.
Nicht zuletzt auch wegen:

 

Körperliche Eignung: Wenn es um die Verteilung des Körpergewichtes geht, hat so mancher Waidmann die typischer Metzgereifrage „Darfst ein wenig mehr sein ?“ offensichtlich von Herzen mit einem donnernden „Aber klar doch !“ beantwortet. So pirscht man nicht gerne. Hinzu kommt, dass zum Spannen eines Bogens fürchterlich viel Kraft benötigt wird. Max ließ uns hier grinsend ins offene Messer rennen, als er uns anbot, wir dürften gerne einmal versuchen, seinen Bogen zu spannen. Natürlich versuchten wir es. Natürlich blieb es beim Versuch. Ich bilde mir hin und wieder ein wenig auf meine Körperkraft ein. Und unter uns: Ich war recht sicher, der einzige Teilnehmer zu sein, der es schaffen würde. Ich scheiterte kläglich; beim ersten Versuch, beim zweiten Versuch. Keine Chance. Ich ächzte. Max grinste. Natürlich bin ich mir sicher, dass irgendein Trick dabei gewesen sein musste. Das allein zu meiner Ehrenrettung. :D
Max meinte dann, dass ein 90-Pfund-Bogen, wie er ihn mitgebracht hatte, nun wirklich nichts für Anfänger sei, kaum jemand so ein Monstrum gespannt bekäme. Für die Jagd seien Bögen mit 45 bis 50 Pfund Zuggewicht vollkommen ausreichend, um auch bei starkem Rotwild noch sicheren Ausschuss zu produzieren. Der 90-Pfünder sei eher etwas für die Elefantenjagd. Wir waren beruhigt. Und ein bisschen froh darum, dass Max keinen 45-Pfünder mitgebracht hatte, an dem wir vielleicht auch versagt hätten.
Auf den Punkt gebracht: Körperliche Fitness ist Voraussetzung für die erfolgreiche und waidgerechte Bogenjagd. Wir brauchen Ausdauer zum Pirschen, wir brauchen reichlich Kraft zur Bedienung unserer Waffe. Voraussetzungen, auf die es bei der Ansitzjagd nicht im geringsten ankommt. Vielleicht betrachten so viele von uns die Ansitzjagd daher auch als besonders Waid(manns)gerecht.

 

Allerdings ist Max nicht allein Bogenschütze; hin und wieder jagt er auch mit der Büchse. So konnten wir ihm in einem weiteren Video dabei zuschauen, wie er in Alaska einen Mordskerl von Schwarzbären erlegte; aus schlappen 370 m Entfernung, Fluchtstrecke etwa 60 Meter. Hier hätte er mit dem Bogen wohl keine Chance mehr gehabt.

 

Das aber sei auch nicht der Sinn der Sache, erklärte Max: Für jeden Zweck das richtige, das passende Werkzeug. Weite Schüsse mit der Büchse, nahe Schüsse mit dem Bogen. Wobei Max die Bogenjagd aber nach wie vor als wahre Form der Jagd ansieht: Nach alter Väter Sitte, mit körperlichem Einsatz, Wissen, Geduld und Einfühlungsvermögen; kein simples Abschießen wie in der Schießbude. Jagd als Jäger, nicht als reiner Schusswaffenbediener.

 

Und genau hier liegt wohl auch der Reiz der Bogenjagd: Zurück zu den Wurzeln, zurück zur Jagdweise unserer Ahnen, zurück zu dem, was uns wirklich im Blut liegt: Jagd, die viel mehr als nur gekrümmte Zeigefinger verlangt. Und mehr als teure Waffen: Denn als ich fragte, was so ein Hightech-Bogen denn kostete, ging bei Maxens Antwort erstauntes Murmeln durch die Zuhörerschaft: Maximal 2500 Euro für das absolute Spitzenmodell in Vollausstattung; los geht's bereits bei 500 bis 600 Eurocken. Und das, ohne kostbaren Platz in der WBK zu belegen.
Also dürfte auch unserer Waffenindustrie viel daran gelegen sein, bloß keinen waidgerechten Ruf der Bogenjagd aufkommen zu lassen. Wo kämen wir denn da hin ?

 

Und eins möchte ich Ihnen auch noch verraten; nämlich das, was Max über unsere ach so waidgerechte Nachtjagd auf Sauen bei absolutem Beleuchtungs- und Nachtzielgeräteverbot sagte: Das ist, als erlaubte man uns, nachts mit 200 über die Autobahn zu brettern; aber nur ohne Licht.

 

Böser Max. Denn er hat SO Recht damit... Und als Skandinavier darf er das natürlich auch sagen; wir Betroffenen dürfen's natürlich nicht.

 

 

Mir hat's gefallen, mir haben Max und seine Einstellung zur Jagd gefallen; sehr sogar. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, mich ein wenig näher mit diesen verführerischen Compoundbögen zu befassen. Allerdings müsste ich dann so einiges für meinen Körper tun, vielleicht auch 5 Kilo abnehmen...
Oder ich besinne mich halt alternativ wieder auf unsere gute, alte, deutsche Waidgerechtigkeit.
Dann kann ich mir das sparen. :mrgreen:

 

 

 

   

 

Jörn
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