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Vater und Sohn

Vater und Sohn

Beitragvon HR4 » 13.10.2011, 14:51

Kürzlich, da hat mich mein Jüngster gefragt:
Bitte Vati, was ist denn die Jagd?
Du gehst doch das ganze Jahr hinaus
und bringst so selten was mit nach Haus.
Die paar Karnickel, die zählen ja nicht,
und den Bock voriges Jahr hast Du auch nicht gekriegt.
Mutti und ich, wir sind immer allein,
an der Jagd muß doch was besonderes sein.

Da hab ich ihn über den Flachskopf gestrakt
und hab ihm aus innersten Herzen gesagt:
Der Wald und das Wild, das Feld und die Flur,
die Sonne, der Mond und die ganze Natur,
wie Regen und Kälte und Hitze und Wind,
die Wolken, die droben am Himmel sind,
das Reifen des Korns, das im Wehen sich wiegt,
der Falter, der bunt durch die Bläue fliegt
und Bienen summen und der Käfer brummt,
der Blitz und der Donner, das Schweigen ringsum,
das Rucksen der Tauben, der Blumen Duft,
ein Bussardschrei ganz hoch in der Luft,
und Glockengeläut in der Abendzeit,
die Buche im goldenen Herbstkleid,
die Hasel im Lenz und die Fichten im Schnee
und Entengeschnatter am Teich oder See,
das Locken des Rebhahns, der Hirsche Schrei,
das Schrecken der Böcke, die Fährten im Klei,
Gewehr und Hund und guter Tabak,
ein wärmender Schnaps, ein Brot auch im Sack,
ein Männertrunk und ein Männerwort,
mit Waidgesellen am richtigen Ort,
und Mückenstichen und Blasen am Fuß,
und Harren und Lauern und Wut und Verdruß,
und Liebe und Freude und Sorge und Schmerz,
und dazu des Jägers rotglühendes Herz,
und Schwitzen und Frieren und Schleichen im Wald,
des Pleßhorns Ruf, wenn der Schuß ist verhallt,
das alles, mein Junge, so hab ich gesagt,
das alles zusammen, das ist erst die Jagd.
Und wenn Du recht brav bist, dann nehme ich Dich bald
des Abends hinaus in den heiligen Wald.

Und nun geh schön schlafen und recht gute Nacht.

Heinrich Spahn
HR4
HL/SO
 
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Registriert: 10.10.2011, 17:55

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